"Der Handel traut sich einfach nicht, nachhaltigere Produkte zu ordern"
Der VDMD will als Antwort auf den Black Friday einen DIEN.STA.BILITY.DAY initiieren. Einen Dienstag wöchentlich, an dem Händler und Designer nachhaltige Mode anbieten. Wie das in der Praxis aussehen soll und warum das nötig sei, erklärt VDMD-Geschäftsführerin Mara Michel im Gespräch mit Kirsten Reinhold von der TextilWirtschaft.
Kirsten Reinhold, TextilWirtschaft: Wie soll Ihr Dien.sta.bilityday denn in der Praxis aussehen?
Mara Michel: Der Handel und auch die selbstständigen Designer sollen an jedem Dienstag der Woche ein nachhaltiges Produkt auf Ihrer Website, über den VDMD und natürlich in ihren Läden anbieten – mit Erklärung, warum dieses Produkt nachhaltig ist, egal ob es ein Mode-Outfit, ein Sofa, ein Bio-Ei oder Fleisch aus nachhaltiger Tierhaltung ist. Auch das Angebot für Reparatur von Gekauftem wäre dabei. Wichtig ist das Nachvornedenken für die bisherige schnöde Produktwerbung: "Wenn Du das kaufst, wirst Du glücklich". Stattdessen die dahinterstehende Denke: "Wenn Du das kaufst, hast Du ein Mosaiksteinchen zu einer besseren Welt beigesteuert".
Ist es für Sie generell schwierig, den Modehandel beim Thema Nachhaltigkeit zu erreichen?
Ja. Man merkt es auch bei Messe-Besuchen, dass sich der Handel nicht traut, nachhaltigere Produkte zu ordern und keinerlei Ideen hat, wie dieses Thema gespielt werden kann.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich fürchte, die Händler verstehen noch nicht wirklich, dass es zwingend eine Umkehr geben muss und dass es heute eben nicht mehr reicht, ständig neue Waren zu präsentieren.
Inwieweit wollen Sie auch die von Ihnen vertretenen selbstständigen Designer und die Hersteller insgesamt einbinden?
Natürlich gehen wir vom ersten Schritt in der Kette aus. Die Hersteller und Designer sind genauso gefordert – wenn nicht noch mehr. Unser aller Klientel sind die Menschen in unserer Gesellschaft, die unsere Produkte erwerben wollen und sich damit umgeben wollen bis zum sehr persönlichen Outfit. Erreichen wir diese, wird hoffentlich der Handel mutiger, vermehrt auf nachhaltige Produkte zu setzen. Dadurch ermutigt er die Industrie, viel mehr nachhaltige Produkte zu generieren und sie über Ordermessen anzubieten. So wäre auch den schwächelnden Messen geholfen. Und letztendlich auch den Designern, die für Nachhaltigkeit brennen und der Industrie zuarbeiten.
Klingt, als sähen Sie in mehr Nachhaltigkeit einen möglichen Weg aus der derzeitigen Krise? Und das in einer Zeit, in der vor lauter Krise bei vielen das Thema eher weiter nach hinten geschoben wird.
Und das ist eben ein großer Fehler. Gerade in dieser Krise ist die Wende zu mehr Nachhaltigkeit zwingend nötig. Und dazu sollte jeder beitragen – in der gesamten Kette. Und zwar auch mit kleinen Schritten. Denn nur so geht es auch wieder raus aus dieser Krise. Das Thema Nachhaltigkeit muss kreativ in unserem Alltag verankert werden und da gibt es viele Ideen, die letztlich auch wieder mehr Kunden in die Läden bringen. Der Dien.sta.bilityday ist nur ein erster Schritt.
Der Black Friday ist nur einmal im Jahr, wie oft soll ihr "Nachhaltiger Dienstag" stattfinden?
Wirklich jeden Dienstag flächendeckend, um der Idee Raum, Ausbreitung und Geschwindigkeit zu ermöglichen. Ziel wäre: Die Menschen suchen nach nachhaltigen Angeboten und sind sich bewusst, dadurch unsere CO2-Fußabdrücke zu reduzieren.
Sollte es eigentlich nicht immer ehrliche Preise, einen Reparatur-Service und generell einen Fokus auf Nachhaltigkeit geben?
Ja, unbedingt – ist ja aber nicht so. Ich habe gerade nochmal den "Future Mind" von Matthias Horx gelesen, in dem er tief bedauert, dass viel zu viele Menschen Angst vor der Zukunft haben und deshalb deprimiert nichts mehr unternehmen, anstatt aus den vielen Krisen Kraft und Mut für neue Wege zu schöpfen. Er war übrigens beim 5. Kongress mit dem Thema "Zukunfts.Werkstatt" bei uns. Ein echt positiv denkender Mensch und starker Denker.
Das Interview finden Sie hier.
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